Les Alpes et plus …
Neue ErFahrungen in den französischen Alpen
Frankreich ich komme! Das war mein erster Gedanke, als ich mich entschlossen habe, dieses Jahr eine für mich etwas andere Form des Reisens zu testen. Keine Routenplanung. Keine Suche nach Unterkünften. Kein Terminschach mit Mitfahrenden. Keine Verantwortung. Einfach nur fahren und genießen. Das war der Plan. So soll es laufen. Damit war der Entschluss gereift, mich 2024 einer geführten Tour anzuschließen. Soll sich doch mal jemand anders um die Orga kümmern! Hauptsache, ich komme mal wieder in meine französischen Alpen.
Die wenigen Abers waren schnell vom Tisch. Kosten? Ich gönn‘ mir ja sonst nix. Fremder Guide? Was ich hörte, versteht der sein Handwerk. Fremde Mitfahrer? Kein Problem, wenn man sich selbst etwas zurücknimmt – ich bin ja umgänglich. Keinen Einfluss auf die Route? Hhmmm … das wird allerdings hart. Irgendwas ist immer.
Egal. Ich fahre. Und freu‘ mich drauf.
Tag 1 | 15.06.2024 | 538 km
Heute gehts endlich los. Die Anfahrt zum Treffpunkt in Aosta steht auf dem Zettel. Das Mopped ist gewartet und gesattelt, die Reifen und die Frisur des Fahrers neu. Aufstehen, Koffeinspeicher füllen und rauf auf den Bock. Nach 5 Kilometer: Regen. Nach 40 km: Weltuntergang! Ich pflüge mich durch die Wassermassen auf der Autobahn und suche dabei im dunkelgrauen Himmel nach einer Hoffnung gebenden Grauschattierung. Kurz vor dem geplanten Treffpunkt mit dem ersten Teil der Gruppe hinter Freiburg hört Petrus endlich auf, über mir seine Wasserkübel auszuschütten. Tropfend fahre ich auf den Autohof, hänge meine Klamotten zum Trocknen in die ersten Sonnenstrahlen, organisiere mir einen Kaffee und warte auf die ersten Mitfahrer. Sie trudeln ein. Begrüßung. Erstes Abtasten. Smalltalk. Kurzes Briefing. Das passt. Und das Wetter jetzt auch.
Wir ziehen los und durchqueren das Land der Eidgenossen. Basel, Bern, Montreux – der Genfer See erscheint. Für mich der optische Startpunkt meiner Reisen in die französischen Alpen. Bei Martigny verlassen wir die Autobahn und schrauben uns den noch winterlichen Großen St. Bernhard hoch, der vor wenigen Tagen erst geöffnet wurde. Hohe Schneewände, mit Tauwasser überflutete Streckenabschnitte und kaltfeuchte Witterung begleiten uns zum Kaffeestopp auf der italienischen Seite der Passhöhe.
Wir wedeln weiter talwärts gen Aosta, unserem Tagesziel und Treffpunkt mit dem Rest der Truppe. Smalltalk beim Stiefelbier, Pizza und Eis in der Altstadt, Schlafbier vor dem Hotel. Fazit des Tages: Passt.
Tag 2 | 16.06.2024 | 273 km
Mein Tag beginnt beschissen! Wer mich kennt, weiß, dass ich erst nach drei Humpen Kaffee sozialverträglich bin. Daran ist heute morgen nicht zu denken. Egal, wo ich hinschaue – es ist alles voll mit laut plappernden Radfahrern in bunten, eng anliegenden Gewändern. Man will nicht immer alles sehen, vor allem nicht morgens vor dem ersten Kaffee. Der Frühstücksraum sieht aus wie nach einem Tornado und vor der Kaffeemaschine steht eine Schlange Papageien, die sich dort ihre Thermoskannen mit dem schwarzen Gold füllen. Flucht! Für Notfälle habe ich ja im Topcase Dosenkaffee gebunkert. Den gönne ich mir jetzt draußen in einer ruhigen Ecke. Der Kaffee wirkt, Ballonfahrer tummeln sich im sonnigen Himmel des Aostatals und ich beruhige mich langsam.
Wir starten über den Colle San Carlo und ziehen bei bestem Wetter über den Kleinen St. Bernhard weiter zum Col de la Madeleine. Der ursprünglich für heute geplante Col de l’Iséran ist leider noch in der Wintersperre und muss deshalb bis zur Rückfahrt warten. Dachten wir. Leider kommt es immer anders …


Unser Guide verlässt die N90 und biegt links ab auf die schmale Straße Richtung Notre-Dame-du-Pré. Sehr schön. Da war ich bisher noch nicht. Die kurvige Strecke schlängelt sich durch den einsamen Wald und ist anfangs schön zu fahren. Aber, wie so oft im Frühjahr in Frankreich: Rollsplitt. Knöcheltief und kilometerlang. Wir fahren wie auf rohen Eiern weiter und biegen anschließend ab zum Col de la Madeleine. Ich mag ihn einfach irgendwie.
Nach mehreren Fotostopps stoße ich auf der Passhöhe im Bistro wieder zur Truppe. Das „La Banquise 2000“ ist leider proppenvoll. Alternative? Topcase! Dosenkaffee und fernab des Trubels die Landschaft aufsaugen.
Wir ziehen weiter über die Südrampe talwärts, vorbei an den Lacets de Montvernier, die man aus der Ferne gut sehen kann bis zum Col du Télégraphe. Nach kurzem Stopp wedeln wir durchs Valloire-Tal zum Col du Galibier.
Die unwirkliche Landschaft in diesem Hochtal – man kommt sich vor, wie auf einem fremden Planeten – beeindruckt mich immer wieder aufs Neue. Die schneegesäumten Serpentinen des Galibiers begleiten uns bergauf bis zur Ampel am Tunnel vor der Passhöhe. Leider ist die Gipfelstraße wegen des vielen Schnees dieses Jahr noch geschlossen. Trifft mich aber nicht besonders – ich war ja schon mehrmals oben.
Nach einem kurzen Stopp am Refuge du Galibier auf der Südseite des Tunnels nehmen wir, vorbei am Col du Lautaret, die letzten Kilometer auf der sehr gut ausgebauten D1091 bis Briançon unter die Räder. Tagesziel erreicht. Wir satteln auf dem großen Parkplatz des Hotels ab, machen uns wieder hübsch und schlendern in die 300 Meter entfernte Pizzeria zum Essen fassen.
Tag 3 | 17.06.2024 | 222 km
Nach dem Frühstück und Tanken brechen wir bei bestem Wetter auf. Unser nächstes Ziel: der Col d’Izoard. Er empfängt uns nahezu schneebefreit und überraschend einsam. Ist wohl noch zu früh für die ganzen Radler, die sich sonst durch diese grandiose Landschaft nach oben plagen.
Auf der Passhöhe am bekannten Obelisken gibts den obligatorischen Fotostopp. Und für mich als Sticker-Junkie den obligatorischen Gang in den Kiosk, Aufkleber kaufen. Manche Dinge müssen einfach sein. Was nicht hätte sein müssen, ist der mittlerweile erfolgte touristische Umbau der Passhöhe. Mir gefiel es auf dem ›alten‹ Izoard, weil ursprünglicher, wesentlich besser.
Natürlich darf auch ein Fotostopp bei der an diesem Tag stark frequentierten Aussichtsplattform zur Casse Déserte nicht fehlen.
Am nächsten Etappenziel, dem Col de Vars, gibts dann den notwendigen Kaffeestopp. Bei strahlendem Sonnenschein ließen wir uns vom alten Betreiberehepaar verwöhnen und unterhalten. Hier könnte man stundenlang sitzen. Doch der Bonette ruft.


Wir schlängeln uns talwärts über Jausiers zum Col de la Bonette, wo wir das erste Mal auf ziemlich nervigen Verkehr passaufwärts stoßen. Viel Schnee, viel Verkehr, teils seltsame Fahrmanöver anderer und kaum Möglichkeiten, kurz für ein Foto anzuhalten. Ich bin genervt. Selbst am Col du Restefond ist kein Stopp möglich.
Der Schlag trifft mich dann oben auf der Passhöhe des Bonette. Ein Wust an Menschen und Fahrzeugen. Man könnte fast meinen, da oben öffnet heute ein neuer IKEA, der kostenlose Billy-Regale verteilt. Da die Schleife zur Cime de la Bonette ebenfalls noch geschlossen ist, spielt sich dieses ›Volksfest‹ komplett auf der schmalen Passhöhe des Bonette ab. Ich kenne (und schätze) das anders.
Nach kurzem Stopp gehts wieder abwärts über den Col de Raspaillon und das Camp des Fourches ins Tinée-Tal zur Mittagspause nach Saint-Étienne-de-Tinée. Anschließend verlassen wir das Tal und biegen auf die M59 Richtung Ilonse ab. Der Col de la Sinne wartet auf uns – ein noch recht unbekanntes, fahrtechnisch anspruchsvolleres Kleinod im südfranzösischen Hinterland. Einsame Landschaft, null Verkehr, schmale Trasse, enge Kehren, holpriger Belag, fehlende Randsicherung – genau meins.
Über das kleine, putzige Bergdörfchen Pierlas windet sich die abenteuerliche Strecke abwärts in die Gorges du Cians, eine schmale Schlucht mit leuchtend rotem Gestein. Ich bin wieder versöhnt.
Am südlichen Ausgang der Schlucht biegen wir ab nach Puget-Theniers und weiter nach Puget-Rostang, wo wir unser Hotel für die beiden nächsten Nächte beziehen. Stiefelbier. Das sehr nette, junge Betreiberehepaar verwöhnt uns anschließend mit einem feinen 3-Gänge-Menü an einem großen Tisch im Garten. Wir lassen den Tag ausklingen.
Tag 4 | 18.06.2024 | 229 km
Heute ist Schluchtentag. Und zwar ohne Gepäck. Die ursprünglich geplante Strecke über den Col d’Allos und den Col de la Cayolle mussten wir aufgeben, da der Allos wegen Straßenschäden nicht befahrbar war. Für mich kein Problem, da ich beide Pässe schon kenne und als Ersatz dafür einige mir noch unbekannte Strecken locken.
Zunächst führt uns der Weg über das malerische Städtchen Entrevaux mit seiner imposanten Zitadelle in die Gorges de Daluis – einen tiefen Canyon, den der Fluss Var in das leuchtend rote Schiefergestein gefressen hat. Von Süden kommend ist die abenteuerliche Streckenführung durch beeindruckende Felsformationen direkt an der Kante zum Abgrund ein Fest für die Augen. Pflicht!
Am Ausgang der Schlucht in Guillaumes nehmen wir auf der Route des Grandes Alpes Kurs auf den Col de Valberg. Im touristischen Valberg bremst uns dann die Gendamerie aus. Straßensperre. Das Olympische Feuer soll in zehn (französischen) Minuten unseren Weg kreuzen. Also ab in den Schatten und warten. Nach ca. 30 Minuten zieht ein langer, von Polizeimotorrädern eskortierter Konvoi an Fahrzeugen vorbei. Das Feuer bekommen wir aber nicht zu sehen. Wurde die Flamme früher nicht von Ort zu Ort getragen? Heutzutage wird sie im klimatisierten Van chauffiert.
Aufsitzen und weg.


Zurück durch die tags zuvor schon gefahrene Gorges du Cians über den Col de Saint-Raphael zur nächsten Schlucht, der Clue d’Aiglun. Schmalste Straßen, Millionen Kurven, Null Verkehr, brütende Hitze. Die Gegend ist ein Traum für Kurvenjunkies, die einsame Straßen lieben.
An der bekannten Brücke Pont d’Aiglun legen wir einen Stopp ein und beratschlagen, ob wir wegen der Hitze und der fortgeschrittenen Uhrzeit abkürzen sollen.


Wir entscheiden uns dagegen und ziehen durch. Die Strecke zieht sich, der Schweiß rinnt. Über den Col de Buis und den Col de Trebuchet erreichen wir – schwindlig gefahren – wieder den Col de Saint-Raphael. In Puget-Théniers angekommen, entern wir das erstbeste Straßencafé und korrigieren unseren Flüssigkeitshaushalt.
Der bisher kurvigste aber auch anstrengendste Tag findet bei einem abendlichen 3-Gänge-Menü im Garten sein Ende.
Tag 5 | 19.06.2024 | 275 km
Das Wetter soll heute umschlagen. Regen ist angesagt. Mal sehen, wie weit wir trocken durchkommen. Die heutige Tagesetappe ist auch länger als sonst, da wir über den Gorges du Verdon nach Westen weiterziehen wollen. Wir fahren über Entrevaux nach Norden durch die Schluchten Gorges de la Galange und Clue de Rouaine über den Col de Toutes Aures pres Vergons nach Saint-Julien-du-Verdon am Lac de Castillon. Nach einer kurzen Pause am Staudamm Barrage de Castillon erreichen wir auf der D955 Castellane. Markttag. Alles voll. Keine Chance auf einen Kaffee.
Wir ziehen weiter Richtung La Palud-sur-Verdon, dem ›Eingangstor‹ zum Gorges du Verdon, und werden von einer Straßensperre wegen Steinschlags ausgebremst. Aber die Franzosen sind schon am Aufräumen, sodass wir nach rund 15 Minuten die ›Route des Crêtes‹, die Kammstraße der Verdonschlucht, erreichen.
Im Uhrzeigersinn (!) wedeln wir die sehr gut befahrbare Kammstraße von einem Aussichtspunkt zum anderen. Der Himmel zieht zu und die Gänsegeier fliegen tief. Beeindruckend, wie diese majestätischen Könige der Lüfte über der Schlucht ihre Kreise ziehen. Aussichtspunkte an der Schlucht gibt es zuhauf. Leider auch genügend Touristen, die diese belagern. Kein Vergleich zu den einsamen Straßen von gestern. Am Ende der Route de Crêtes in La Palud-sur-Verdon kommen wir dann zu unserem ersehnten Kaffeestopp. Der Himmel wird immer grauer, die ersten Tropfen schlagen im Kaffee ein. Aufsitzen und weiter.
Über den Col d’Olivier fahren wir zum Aussichtspunkt ›Lac de Ste-Croix‹, an dem man eine gute Sicht auf den See mit den vielen kleinen Booten und die Brücke ›Pont du Galetas‹ hat. Dort unten auf der Brücke ist unser nächster, nicht ganz legaler Fotostopp geplant. Auf der Gegenfahrbahn mit See und Schlucht im Hintergrund. Wenn das mal keinen Ärger gibt.
Weiter gehts über Aiguines auf die Südroute des Verdon, über den Col d’Illoire und die Cirque de Vaumale zur imposanten Brücke ›Pont de l’Artuby‹. Direkt gegenüber des Parkplatzes befindet sich ein kleiner Kiosk, der uns bei einem heißen Baguette Unterschlupf vor dem nun einsetzenden Regen bietet. Fast alle ziehen sich die Regenpelle an. Ich nicht. Falsche Entscheidung!
Bei noch leichtem Regen geht’s über Trigance bis Castellane, dann auf die D4085 über La Palud auf die N85. Der Regen wird heftiger. Bei Chateauredon fahren wir südwärts auf der D907, dann weiter auf der D6 über Valensole Richtung Manosque. Es schüttet. Ich tropfe. Wir pflügen uns im Regen durch den dichten Verkehr von Manosque, tanken noch und erreichen bei strömendem Regen unser Hotel. Abladen, Stiefelbier, Duschen. Im benachbarten Restaurant lassen wir den Tag dann austropfen.
Tag 6 | 20.06.2024 | 222 km
Der Regen soll heute am frühen Vormittag aufhören. Sagt unser Guide. Guides haben nicht immer recht! Wir starten – heute etwas später, es soll ja aufreißen – nördlich auf der D5 Richtung Mont Ventoux. Wir überqueren im Regen den Col de la Mort dImbert. Es schüttet übrigens wie aus Kübeln, Herr Guide. Irgendwo im Niemandsland flüchten wir in das kleine Bergdorf Simiane-la-Rotonde und suchen eine Möglichkeit, uns unterzustellen. In einem kleinen Lebensmittel-Laden ergattern wir glücklicherweise einen wärmenden Becher Kaffee, den wir tropfend und unter der Markise dicht zusammengedrängt genießen.
Danach steuern wir auf der D18 im strömenden Regen bei Null-Komma-Null Sicht die Gorges de la Nesque an. Auf dem Display meines Bordcomputers blinkt es heftig. Der Reifendrucksensor meldet vorne und hinten 0 bar. In mir steigt leichte Panik auf. Eine Reifenpanne bei diesem Wetter? In dieser Einöde? Das braucht kein Mensch. Ich lasse mein Mopped langsam ausrollen und checke meine Reifen. Kein(e) Platten erkennbar. Sieht alles normal aus. Vermutlich ist es meiner Elektronik auch zu nass, was ich sofort nachvollziehen kann. Ich fahre mit mulmigem Gefühl weiter. Am Aussichtspunkt ›Les Gorges de la Nesque‹ legen wir einen Fotostopp ein. Wir beschließen umzudrehen, denn von der Schlucht ist heute nicht viel zu sehen. Luftfeuchtigkeit: 100%, Reifendruck laut Anzeige: 0 bar.
Durch den strömenden Regen gehts zurück nach Sault, wo wir tropfnass im Restaurant ›O Pichoun‹ Unterschlupf finden und mit Blick auf unser nächstes Ziel, den Mont Ventoux, eine Kleinigkeit essen.
Im Laufe unserer Pause lösen sich die dichten Regenwolken am Mont Ventoux immer mehr auf. Wir beschließen aufzubrechen. Kaum 500 Meter weiter kommt die Karawane zum Stillstand. Unser Guide hat seine Brille (die fürs schöne Wetter) irgendwo auf dem Weg vom Restaurant bis hier verschusselt. Zwei drehen um und gehen auf die Suche, der Rest wartet geduldig am Straßenrand. Mit Brille gehts dann die nächsten Kilometer weiter zum Mont Ventoux – diesmal ohne Regen. Bordcomputer: Vorne 2,5 bar, hinten 0 bar.
Der Anstieg zum Gipfel des Mont Ventoux – für Radfahrer eine harte Nuss – ist für unsere Moppeds kein Problem. Oben angekommen empfängt uns der Berg mit stürmischen Böen und einer grandiosen Aussicht über die in grau getauchte Ebene. Wer da oben über den Wolken steht, weiß, weshalb man den ›weißen Riesen‹ auch ›Berg der Winde‹ nennt.
Wir fahren bergab und passieren Richtung Norden mehrere kleinere Pässe, bevor wir in den betäubenden Duft der beidseitig an der Strecke liegenden Lavendelfelder eintauchen. Ein olfaktorisches Erlebnis!
Kurz vor Erreichen unseres Hotels schwenken wir ins Zentrum von Crest um zu tanken. Danach blasen wir in einer Waschbox den Saharastaubschmodder von unseren Bikes (Ja, ich auch. Herdentrieb!) und fahren weiter zum Hotel.
Das Abendessen in stimmungsvollem Ambiente haben wir uns redlich verdient. Und das Bier auch.
Tag 7 | 21.06.2024 | 200 km
Kurz nach 9 Uhr setzen wir uns bei trockener Witterung und korrekter Anzeige des Luftdrucks Richtung Vercors in Bewegung – unserem heutigen Tageshighlight. Nach einer kurzen Pause auf dem Col de Bacchus am südlichen Einstieg ins Vercors überqueren wir den Col de la Bataille und erreichen über den Col de la Machine die Combe Laval im dichten Nebel. Diese kurvige Balkonstraße bietet normalerweise atemberaubende Ausblicke ins Tal. Wir sehen gerade kaum die Hand vor Augen.
Also umdrehen und erneut über die Combe Laval für eine Kaffeepause zurück zum Col de la Machine. Wir warten einfach darauf, dass sich der Nebel etwas lichtet und uns die Panoramen bietet, für die das Vercors bekannt ist.
Wie erhofft, verzieht sich der Nebel während unserer Pause etwas. Also schnell in den Sattel und die Combe Laval bei besserer Sicht ein weiteres Mal hin und zurück. Sind ja nur wenige Kilometer.
Anschließend nutzen wir die freundliche Wetterphase gleich für eine zusätzliche, ungeplante Extrarunde über die D76, die D178 und die D199, wo wir auf einsamen Straßen weitere Pässe des Vercors erkunden. Die Zusatzschleife führt uns wieder zu unserem Ausgangspunkt am Col de la Machine, wo wir die Combe Laval ein weiteres, letztes Mal in nördlicher Richtung unter die Räder nehmen. Viermal genäht hält besser.
Über den Col Gaudissart erreichen wir dann Saint-Jean-en-Royans, wo wir bei einer Mittagspause im Restaurant ›La Taverne‹ (empfehlenswert!) den mittlerweile einsetzenden Wolkenbruch aus dem Trockenen heraus beobachten.
Ein streunender Hund flüchtet vor dem Regen an uns vorbei ins Lokal, schüttelt sich kräftig und bettelt sich anschließend durch alle Tische. Der Wirt nimmts locker, hört dabei aber nicht auf zu betonen, dass es sich um einen fremden Hund handelt. Gelebte französische Gastfreundschaft.
Der Regen hört auf und wir starten zum Abschluss unserer Vercors-Tour über Pont-en-Royans zur Gorges de la Bourne und über den Col de la Croix-Perrin nach Lans-en-Vercors. Im Anschluss schrauben wir uns auf einer kurvigen Straße talwärts zum Hotel nach Claix, einem Vorort von Grenoble.
Wir parken, satteln ab und bekommen sofort einen Hinweis von der Rezeption, unsere Moppeds doch besser hinter dem Haus abzustellen. Offenbar sind gerade einige Langfinger im Großraum Grenoble unterwegs. Wir bedanken uns, parken um und genehmigen uns das obligatorische Stiefelbier auf der Terrasse des Hotels. Das Abendessen nehmen wir heute direkt im Restaurant des Hotels zu uns.
Tag 8 | 22.06.2024 | 272 km
Heute wäre eigentlich die Schleife über den Col de l’Iséran dran gewesen, der ja bei unserer Ankunft noch geschlossen war. Ist er immer noch. Und zudem auch noch die Strecke über den Col du Glandon und den Col de la Madeleine. Merde! Wir schmieden einen Alternativplan – das Wetter ist uns heute auch nicht unbedingt wohlgesonnen.
Mangels großer Alternativen einigen wir uns darauf, direkt über Albertville zum Cormet de Roselend aufzubrechen. Doch vor Albertville liegt uns Grenoble im Weg. Wir stottern in einem katastrophalen Gegurke von einer roten Ampel zur nächsten. Nach einer gefühlten Ewigkeit verlassen wir das Stadtgebiet und schlagen uns Richtung Col de Marcieu abseits in die Büsche. Rollsplitt. Kilometerlang. Nervig, aber mit einem Ende an der Gaststätte auf dem Pass bei Kaffee und einem netten Betreiberehepaar. Beide selbst Motorradfahrer, versuchen sie, dort oben im Nirgendwo ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ich bin drauf und dran, der netten alten Dame aus Mitleid einen selbstgemachten Halswärmer für Motorradfahrer abzukaufen. Es bleibt aber beim Kaffee.
Hinter Albertville fängt der Himmel wieder an zu weinen. Wir fahren über Ugine durch eine Schlucht nach Flumet, wo wir zum Col des Saisies abbiegen. Bei Beaufort ist dann mal wieder Land unter. Und der Reifendruck erneut bei 0 bar. Wir pflügen uns durch Regen und Gischt zum Col de Méraillet am Lac de Roselend, um den Ausblick auf den malerischen See zu genießen. Doch der See ist weg.
Man kann ihn mit viel gutem Willen irgendwo in dieser grauen Suppe vor uns erahnen. Dieser Abstecher hat sich eher nicht gelohnt. Wir beschließen, im Restaurant am Col de Méraillet Schutz zu suchen. Doch es ist hoffnungslos mit Regenflüchtlingen überfüllt. Alles Weicheier! Wir ziehen dann halt weiter, zurück über den Col des Saisies zu unserem Tagesziel Sallanches. Das Wetter soll uns mal. Nach wenigen Kilometern bei Hauteluce: Reifenpanne bei einem Mitfahrer. Im Regen mitten in der Walachei. Danke für nichts. Doch unser Guide schafft ganz schnell Abhilfe. Flickzeug raus und ein paar Mal was Klebriges in die Karkasse gepfriemelt, aufgepumpt und fertig. Hält!
Nach der erfolgreichen Flickaktion steuern wir, natürlich im Regen, erneut Albertville an, wo wir im Industriegebiet bei Moto Expert Moto Pro Shop für einen Reifenwechsel stoppen. Nach einem Becher Kaffee ist der Reifen gewechselt und wir fahren bei aufreißendem Himmel abermals durch die Schlucht über Flumet direkt nach Sallanches in unser letztes Hotel der Tour. Absatteln, Sachen zum Trocknen aufhängen und ab in die Sportsbar um die Ecke zum Kalorien fassen. Das Tagesabschlussbier gießen wir uns dann in der Lobby in den Hals – der Geräuschpegel in der Sportsbar war gesundheitlich bedenklich.
Tag 9 | 23.06.2024 | 524 km
Der Tag der Heimreise ist gekommen. Highlights wirds heute kaum geben, sieht man mal vom Col des Montets, dem Col de la Forclaz und der beeindruckenden Aussicht über Martigny bei der Fahrt ins Tal ab. Und genauso kommt es. Wir erreichen Martigny, trennen uns von einigen Mitreisenden und hauen uns dann auf die Autobahn durch die Schweiz nach Deutschland. Am Autohof Bremgarten in Hartheim stoppen wir für eine kleine Mittagspause bei Currywurst und Kaffee.
Anschließend gehts mit vollem Tank auf der A5 nach Hause. Natürlich nehme ich den Stau zwischen Pforzheim-West und Pforzheim-Süd noch mit. Gehört ja irgendwie dazu, wenn man hier wohnt. Um kurz nach 15 Uhr erreiche ich den heimischen Hof. Reifendruck: Vorne 2,5 bar, hinten 2,7 bar
Mein ganz persönliches Fazit
Einige Tage sind seit der Reise nun vergangen. Zeit genug, alles sacken zu lassen. Was bleibt? Was war gut? Was war weniger gut? Würde ich eine geführte Reise nochmal machen. Hier der Versuch meines ganz persönlichen Fazits.
Frankreich ist ein tolles Land für Motorradfahrer. Die Freundlichkeit und der rücksichtsvolle Umgang der französischen PKW-Fahrer gegenüber Motorradfahrern sucht in Europa seinesgleichen. Ich würde mir ein klein wenig davon auch in unserem Land wünschen. Die Landschaft ist großartig – da muss man keine Worte mehr darüber verlieren. Sprache, Essen, Tanken, Verkehr, Kontrollen – alles kein Problem.
Die Reise war von unserem Guide, Horst Czyzewski von Rideventures, perfekt organisiert und geführt. Seine Vorbereitung und das Management vor Ort in den Unterkünften und deren Auswahl (die ich im Bericht absichtlich nicht nenne, denn es sind ja seine ›Geheimtipps‹) war top. Fahrstil, Pausen, Tempo – alles hat gepasst. Ich kann ihn und seine Touren bedenkenlos weiterempfehlen! Danke Horst, dass ich mit dir fahren durfte!
Mir persönlich hat aber ein wenig der ›Spirit‹ gefehlt, den ich vor zwei Jahren auf der selbst geplanten Tour mit meinem Wingman Jens hatte. Lag es daran, dass es damals meine ›eigene‹ Tour war, auf der wir uns selbst durchwurschteln mussten und bei der nicht immer alles glatt lief? Lag es daran, dass ich diesmal statt mit einem guten Freund mit einer Gruppe mir fremder Menschen unterwegs war? Lag es an der Anzahl der Mitfahrer oder der Zusammensetzung der Gruppe mit ihren doch sehr unterschiedlichen Charakteren? Lag es am teilweise durchwachsenen Wetter? Ich weiß es nicht. Vielleicht von allem ein bisschen. Das Erlebnis vor zwei Jahren war einfach etwas intensiver und nachhaltiger. Es handelt sich hierbei aber um mein ganz persönliches und individuelles Empfinden. Jeder andere wird auch anders denken.
Würde ich wieder an einer geführten Tour teilnehmen? Ich denke schon. Vielleicht nicht zu Zielen, an denen ich mich schon ein wenig auskenne. Eher, wenn es auf unbekanntes Terrain geht. Denn da ist ein erfahrener Guide, der Land, Leute und deren Sprache kennt, ein richtiges Pfund. Die folgenden Touren in dieses Gebiet kann man ja dann selbst wieder planen.
Die gefahrene Route
Ergänzende Links
Frankreich Motorradstrecken Motorradtour RdGA Route des Grandes Alpes Seealpen Tour
Den halben Bericht dachte ich, ich muss ihn fragen ob es a) der Horst war und b) du es nochmal so (geführt) machen würdest. Aber ich sollte es doch besser wissen, Achim endet mit seinem Fazit!
Herzlichen Dank, Achim, für den Bericht und eben genau dem erhofften Fazit (ich hab letztes Jahr schon gezuckt und mit Horst Kontakt gehabt).
Gruß
Ralf/Zumo
Wie ich schon schrub … ich kann dir den Horst nur empfehlen, wenn du eine geführte Tour machen willst. ich würde auch jederzeit wieder mit ihm fahren.
Ich war einer der Mitfahrenden, es war eine Tour mit sehr vielen Eindrücken von Land und Leuten. Mit Horst war ich schon mehrfach unterwegs und bin immer begeistert von seiner Organisation, den Unterkünften, etc.
Als Motorradreisender habe ich natürlich oft die Seite moppedhotel.de schon oft besucht, bei der Tour habe ich Achim schätzen und kennengelernt, ich bewundere seine Arbeit mit den aktuellen Pässeinfos, etc.
Neben den Tourerlebnissen habe ich auch wieder einige Biker´ innen kennengelernt.
Hoffe man sieht sich auf einer der noch vielen Reisen die da kommen, einige bestimmt noch mit Horst
Hallo Richard,
schön, dass du hier von dir hören lässt. Auch für mich war es eine Freude, mit dir zu fahren. Gerne wieder!
Gruß in den Norden vom Achim
Dankeschön, für diesen Bericht aus dem Motorrad-Traumrevier. Schade wegen dem durchwachsenen Wetter, schade wegen der Touristenmassen. Es ist wohl in der Tat so – der Reisende zerstört das Paradies, wenn er es findet.
Ich hab den Bericht gerne gelesen, viel Neues erfahren und auf die bucket-list nehmen können. Schön, dass Du versöhnt zuhause angekommen bist. Klasse, dass es mit dem Tourguide und den Teilnehmern so gut geklappt hat – das ist nicht selbstverständlich.
Merci beaucoup, bis zum nächsten Mal 😉
Danke, Jürgen, für deine nette und ausführliche Rückmeldung. Es freut mich immer, wenn sich ein VIP-Blogger wie du mal in meine bescheidenen Hallen verirrt 🤗
Oh, nenn mich doch bitte nicht VIP-Blogger, Achim! 🙂 Wir sind doch alle Teil einer kleinen, aber feinen Familie, nicht wahr?
Deine „bescheidenen“ Hallen sind – btw – ein sensationelles und erstklassiges Nachschlage- und Infowerk. Ganz grosse Klasse!
Deine Bescheidenheit ehrt dich. Ich gelobe Besserung. Liebe Grüße ans Joch.
Vielen Dank für Deinen wieder mal sehr inspirierenden Tour-Bericht und die fantastischen Bilder! *Fettes-LIKE*
Die grandiosen Gorges (Cians und Daluis) stehen definitiv noch auf meiner persönlichen Bucket-List. 😀
Aber: Kann es sein, dass Ihr alltäglich jeweils bereits „vor dem Wecken“ auf der Straße wart?
Was das Wetter betrifft ist’s ja echt dumm gelaufen, aber das wird von Jahr zu Jahr ja eh immer doller bzw. unkalkulierbarer. – Jedenfalls Hut ab, dass Ihr die Tour trotz alledem so durchgezogen habt!
LG
Susy
PS:
Als „Mittlerweile-Weich-Eier-de-Luxe“ waren wir übrigens zum selben Zeitpunkt „just ums Eck“ und hätten den „Vercors“ theoretisch ebenfalls locker rocken können. (Wäre da nicht dieser „innere Schweinehund im Urlaubs-Modus“ gewesen… *seufz*)
Ein *Fettes-Danke* für deine Rückmeldung, Susy!
Die Schluchten von Daluis und Cians lohnen sich auf jeden Fall und sind Pflicht, wenn du da unten bist. Sie lassen sich auch hervorragend mit schönen Pässen zu netten Rundtouren verbinden. Macht es!
Auch der Vercors ist unbedingt eine Reise Wert. Es gibt in diesem tollen Motorradland noch so viel Schönes zu entdecken.
Wir sind übrigens meist zwischen 9 und 9.30 Uhr auf die Bahn – war also kein Stress angesagt.
Das mit dem Wetter kommt im Bericht vielleicht ein bisschen zu extrem rüber. Wir hatten durchaus auch Tage oder Phasen mit gutem Wetter dabei, sodass sich die Frage nach einem Abbruch wirklich nie gestellt hat. Es war eine wirklich schöne Tour! Und Wetter ist halt Wetter.
Gruß vom Achim
Hallo Joachim, bin die Tage 2 und 3 fast identisch , nur ca 1 Stunde vor dir , gefahren. Bis auf den dicken Rollsplitt in Notre Dame du Pre waren es zwei tolle Tage. An dieser Stelle ein fettes Danke für deine Arbeit bei Facebook . Die Alpen hätte ich noch gefunden, aber die Feinheiten machen es. Komme garantiert wieder in diese Gegend und wünsche allen viel Spaß .
Werner